Lehramtsstudierende und junge Lehrkräfte können im Rahmen des Projekts „SCHULWÄRTS!“ zwei bis vier Monate im Ausland unterrichten. Zehn ehemalige Teilnehmende berichten von ihren Erfahrungen – über Unterschiede, schöne Erlebnisse, Herausforderungen, Interaktionen mit Schülerinnen und Schülern sowie interkulturelle Kompetenz.
Jennifer Ottenstroer, 24, Lehramtsstudentin für Gymnasium und Gesamtschulen, unterrichtete Deutsch und Englisch in St. Petersburg, Russland
„Jede Auslandserfahrung hat mich ein Stück weiter gebracht. Diese persönliche Entwicklung macht mich auch zu einer besseren Lehrerin. Die Schüler merken, wenn du authentisch bist, wenn du Lust auf den Unterricht hast. In Russland wird in sehr kleinen Gruppen unterrichtet. Das würde ich mir für Deutschland auch wünschen. Außerdem setzen die Lehrer mehr digitale Medien ein. Mit Tablets, Whiteboards oder Fernseher zu arbeiten, war ein enormer Gewinn für den Sprachunterricht. Es war gut, dass die Schüler mit mir Deutsch sprechen mussten. Sie waren sehr motiviert und wollten alles über Deutschland wissen.“
Quy Don Mac, 24, Lehramtsstudent, unterrichtete Deutsch, Biologie und Chemie in Hanoi, Vietnam
„Ich habe mir erhofft, durch meine vietnamesischen Sprachkenntnisse mit den Schülern besser in Kontakt zu kommen und mehr vom Schulleben zu erfahren. Das hat allerdings im Biologie- und Chemieunterricht nicht so gut funktioniert, weil mir die Fachbegriffe fehlten. Die Interaktion mit den Schülern war anfangs nicht so leicht. Sie haben mich als sehr streng wahrgenommen und viel Aufmerksamkeit gebraucht. Nachdem ich – als Nikolaus verkleidet – Stollen verteilt habe, war ich dann doch der „liebe“ Lehrer. Ich habe bis heute sehr guten Kontakt zum Kollegium. Vor kurzem hat mir eine Lehrerin ein Bild geschickt: Ein Schüler hat mich als Nikolaus gemalt.“
Hannah Lenger, 23, studiert Gymnasiallehramt und unterrichtete Deutsch in Debrecen, Ungarn
„Mir hat der Unterricht in Ungarn viel besser gefallen. Es geht dort weniger um Methoden, als um Inhalte. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist herzlicher und persönlicher. Meine Schüler haben manchmal am Ende des Unterrichts geklatscht. Eine Stunde über deutsche Lieder fanden sie so toll, dass sie mit mir das Gleiche auf Ungarisch gemacht haben. Sie haben ein komplettes Arbeitsblatt mit Lückentext und Zuordnungsaufgaben erstellt. Das fand ich total süß, weil sie mir auch etwas zurückgeben wollten. Ich durfte oft selbstständig unterrichten und bin dadurch flexibler und gelassener geworden.“
Steffen Wübben, 26, studiert Master of Education und unterrichtete Deutsch in Salaya, Thailand
„Da mir die Schüler und die Lernkultur total fremd waren, habe ich schnell gemerkt, wie wichtig es ist, den Unterricht auf die Zielgruppe auszurichten. Das gilt natürlich auch für den Unterricht in Deutschland. Ich hatte schon vor dem Aufenthalt eine entspannte Lebenshaltung, aber diese hat sich verfestigt. Ich finde es wichtig, dass es Humor gibt und dass man auch im Unterricht aus allen Situationen etwas Schönes macht. Es war gut, dass ich auf mich allein gestellt war: Wenn man Probleme selbst lösen muss, ist die Erfahrung prägender.“
Merve Navruz, 23, Gymnasiallehramtstudentin, unterrichtete Deutsch und Mathematik in Istanbul, Türkei.
„Ich war an einer internationalen Schule, dort war die deutsche Mentalität sehr spürbar. An zwei weiteren Schulen habe ich hospitiert. Mir ist aufgefallen, dass in der Türkei die Schüler im Vordergrund stehen. In Deutschland geben die Lehrer in der Regel den Lösungsweg vor, die Kinder müssen ihn nachvollziehen. In der Türkei ist es anders. Ich finde, das funktioniert besser: Der Lehrer sollte eine moderierende Funktion haben. Und: Ich kann jetzt viel besser nachvollziehen, wie es ist, wenn im Unterricht Kulturen aufeinandertreffen. Die Schüler sollen miteinander und voneinander lernen.“
Janna Dinkel, 32, hat Gymnasiallehramt studiert und unterrichtete Deutsch in Guangzhou, China
„Ich habe mich auf passive, stille Schüler eingestellt doch sie waren lebendiger, als ich dachte. Ich musste immer wieder Pausen machen, damit alle zuhören. Chinesen tendieren dazu, einfach über das Gemurmel zu sprechen, weil es gar nicht darum geht, einen Unterrichtsfluss in Gang zu bringen, sondern nur den Stoff durch zu bringen. Ich habe versucht, interaktiv zu arbeiten und deutsche Unterrichtsmethoden einzusetzen. Die Schüler waren sehr offen. Beim Abschied wurde ich mit Briefen und Geschenken überhäuft. Zu einer Schülerin, die ich für die Deutscholympiade trainiert habe, besteht E-Mail-Kontakt.“
Alexander Stalljann, 26, Referendar an einem Gymnasium, unterrichtete Deutsch in Tianjin, China
„Der Unterricht in China ist ganz anders. Der Lehrer stellt die Fragen und gibt auch die Antworten. Die Schüler wiederholen diese lediglich. Es gibt kaum Eigeninitiative, weil es unangebracht ist, sich hervorzuheben und zu zeigen, wie gut man ist. Ich habe mit den Schülern ein Kennenlernspiel gespielt, bei dem sie sich einen Ball zuwerfen und sich vorstellen. Die Scheu sich zu äußern, etwas falsch zu machen, sich individuell am Unterricht zu beteiligen, war so groß, dass alle dem Ball auswichen. Doch ich kann nun nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn man eine Schule in einem Land besucht, dessen Sprache man nicht spricht.“
Kristine Bologa, 22, studiert auf Gymnasiallehramt und unterrichtete Deutsch in Uppsala, Schweden
„In Schweden sind die Umgangsformen lockerer als in Deutschland. Die Lehrer und Schüler duzen sich gegenseitig. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre und es kommen mehr Medien zum Einsatz. Die Schule stellt jedem Schüler einen Laptop. Ich fand das zunächst befremdlich, weil ich nicht wusste, was die Schüler damit machen. Aber sie setzen die Laptops tatsächlich sinnvoll ein und schlagen beispielsweise Wörter nach. Für mich persönlich war es eine Bereicherung, in einer Sprache zu unterrichten, die die Schüler nicht so perfekt beherrschen. Und ich glaube, auch sie haben dadurch viel gelernt.“
Josephin Hübscher, 27, Referendarin an einem Gymnasium, unterrichtete Deutsch in Beauvais, Frankreich
„Besonders toll war eine Erfahrung mit einer schwierigen 9. Klasse. Sie sollten einen gemeinsamen Restaurantbesuch in Berlin spielen. Anfangs wollten sie nicht, doch am Ende war die Begeisterung groß. Es war unglaublich, was sie in so kurzer Zeit gelernt haben. In Frankreich gibt es viel weniger kooperative Lernformen. Der Unterricht ist lehrerzentriert und das Schulsystem insgesamt autoritär. Aber ich hatte das Gefühl, dass die Eltern besser mit den Lehrern zusammenarbeiten als in Deutschland.“
Stefanie Elbracht, 23, studiert Sonderpädagogik auf Lehramt und unterrichtete Deutsch in Istanbul, Türkei
„Ich werde sicher später Schülerinnen und Schüler mit türkischen Wurzeln haben, daher fand ich es wichtig, mich mit der Kultur zu befassen. Für mich ist es von großer Bedeutung, offen zu sein im Umgang mit anderen Kulturen. Bestimmte Verhaltensweisen sollte man nicht unbedingt negativ bewerten, nur weil man sie nicht gleich einordnen kann. Der Unterricht in der Türkei verläuft teils nicht so strukturiert wie wir es kennen. Aber die Schüler haben dadurch die Möglichkeit, mehr Kind zu sein und nicht nur funktionieren zu müssen. Ich habe gelernt, entspannt zu bleiben und bin flexibler geworden, weil man im Ausland immer auf unerwartete Situationen trifft.“
SCHULWÄRTS!
Das internationale Projekt SCHULWÄRTS! gibt Lehramtsstudierenden und jungen Lehrkräften aus Deutschland die Möglichkeit, im Rahmen eines zwei- bis viermonatige Praktikums internationale Erfahrungen zu sammeln und ihre interkulturellen Kompetenzen zu stärken. Die Studierenden vermitteln den Deutschlernenden und Lehrkräften vor Ort ein aktuelles Deutschlandbild und erhalten die Chance, den Unterricht eigenverantwortlich mitzugestalten und außercurriculare Projekte und Veranstaltungen durchzuführen.
Erschienen im August 2016 auf www.goethe.de